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Geht's auch ohne Abschreiben?

DIE ZEIT, 2021

Aufregung um ein Politikerbuch, mal wieder. Unser Reporter war dabei, als Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder seine Vorwürfe gegen den CDU-Kanzlerkandidaten der Öffentlichkeit präsentierte. Und fragte sich: Ist das tatsächlich relevant?

Am vergangenen Freitag, um kurz nach elf, in einem Nürnberger Hinterhof öffnete Martin Heidingsfelder, Deutschlands bekanntester Plagiatssucher, seine Wohnungstür. Im Hof summten Bienen um Holzkästen, von den umliegenden Balkonen kam Kindergeschrei. Heidingsfelder war barfuß, er trug ausgewaschene Jeansshorts und ein dunkelblaues Polohemd, in der Hand hielt er sein iPhone und sprach über Lautsprecher mit einem Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“. Er gestikulierte den Reporter in den Flur und stellte fast genauso schnell klar, dass man über seine Wohnung überhaupt nichts schreiben dürfe.

Dann sprach er wieder ins Handymikro und beantwortete die Fragen, die er an diesem Tag, an dem er die Wahlkampf-News bestimmte, noch sehr oft beantworten würde. Nein, er wolle nicht sagen, von wem der Tipp kam, sich mal Armin Laschets Buch vorzunehmen. Nein, er könne seinen Fund nicht mit den abgeschriebenen Stellen in Annalena Baerbocks Buch vergleichen, in beide Bücher habe er ja nur reingeblättert. Ja, der Laschet habe ihm geantwortet und sich in einer Mail für seinen Fehler entschuldigt. Inzwischen war Heidingsfelder am Schreibtisch angekommen und öffnete Laschets Mail, eingegangen vor einer Stunde, um 10.17 Uhr. „Als Jurist mit nur einem Staatsexamen sehe ich ihm nach, dass er meine Frist um 17 Minuten überschritten hat“, erklärte Heidingsfelder und lachte. Schon da klang der Gag routiniert.

Er beendete den Anruf und las noch mal Laschets Mail durch, denselben Satz, mit dem der CDU-Kanzlerkandidat zu dem Zeitpunkt schon an die Öffentlichkeit gegangen war: „Dafür möchte ich ausdrücklich um Entschuldigung bitten, denn sorgfältiges Arbeiten beim Verfassen von Werken und die Achtung des Urheberrechts sind für mich auch eine Frage des Respekts vor anderen Autoren.“

„Schöne Formulierung“, sagte Heidingsfelder vor seinem Bildschirm. „Mal schauen, ob er die abgeschrieben hat.“ Er lachte und kopierte den Satz in die Google-Leiste. „Einfach die Idee, draufzukommen, ob er das auch abgeschrieben hat. Die muss man haben.“ Die Suchergebnisse wurden angezeigt.

„Ach, du dicke Scheiße.“ Heidingsfelder scrollte runter, durch Artikel mit Überschriften wie: Plagiatsvorwürfe gegen Kanzlerkandidaten, auch Laschet hat abgeschrieben. „Das ist krass. Überall steht Plagiat. Dabei habe ich mit Absicht nicht von Plagiat gesprochen.“ Sondern von Urheberrechtsverletzung. Plagiat ist kein Rechtsbegriff in Deutschland, und sinngemäß bedeutet er meistens etwas Schwerwiegenderes als die Übernahme einer Formulierung: das Klauen einer Idee.

Und was Laschet abgeschrieben hatte, enthielt ja höchstens ein Ideechen. Aber wen interessierte das jetzt noch, da einem von den Nachrichtenseiten Laschets reuiges Gesicht entgegenschaute. „Der ist durch“, sagte Heidingsfelder und prognostizierte: „Die CDU fällt unter 20 Prozent.“

Es war das erste Mal an diesem Tag, dass er vor sich sah, wie sein Fund Schlagzeilen machte. Eine übernommene Passage, nicht als Zitat gekennzeichnet, hatte er in Armin Laschets zwölf Jahre altem Migrationsbuch „Die Aufsteigerrepublik“ entdeckt und am Tag zuvor dem Urheber geschickt, zum Gegenchecken. Über Nacht hatte der die Passage dann einfach getwittert, und am Morgen sah Heidingsfelder eine Nachricht seines österreichischen Plagiatssucher-Kollegen Stefan Weber auf dem Handy, der hatte die abgeschriebenen Stellen in Baerbocks Buch entdeckt. Weber gratulierte: „Spektakulär.“

So kann man das sehen, denn das Pling der Mails und das Klingeln von Festnetztelefon und Handy sollten der Soundtrack zu Heidingsfelders Spitzentag werden, bestens gelaunt schaute er in Fernsehkameras, am Abend berichtete die „Tagesschau“ über seine Entdeckung. Auf Twitter trendete #laschetschreibtab, die Nachrichtenportale brachten die Meldung ganz oben. Ein dummer Zitierfehler hat den Wahlkampf beeinflusst, vielleicht sogar seinen Ausgang. Also klar: spektakulärer Fund.

Logisch kann man sich, andererseits, kaum etwas Unspektakuläreres vorstellen als ein paar schlampig kopierte Sätze in einem alten, ziemlich egalen Politikerbuch. Man weiß ja auch, wie solche Bücher zustande kommen: Die Hauptarbeit leisten oft Redenschreiber, Referentinnen oder gleich eine Co-Autorin. Maximal egal klingen dann auch Laschets übernommene Allgemeinplätze. Bloß im Vakuum eines inhaltsleeren Wahlkampfs konnte dieser Hauch von Aufregung nicht sofort verpuffen.

Und so dominieren zwei sogenannte Plagiatssucher, die normalerweise auf Honorarbasis Doktorarbeiten prüfen, die Nachrichten, Stefan Weber und Martin Heidingsfelder. Dabei ist die Frage: Was sagen ihre Funde eigentlich aus? Sollte man das bisschen Abschreiberei nicht viel lockerer sehen in einer Zeit der Mode-Revivals, der Remixe und Samples? Ist nicht eh alles schon mal da gewesen und damit auch jedes Buch mindestens ein wenig abgeschrieben?

Das war die Ursprungsidee für diesen Artikel gewesen: Einen etwas dödeligen Selbstversuch wollte ich unternehmen und in Bestsellern nach Abgeschriebenem suchen, Leitfrage: Ist sowieso alles geklaut? Dafür wollte ich die Top-drei-Sachbücher auf der Spiegel-Bestsellerliste prüfen, zu dem Zeitpunkt Sahra Wagenknechts „Die Selbstgerechten“, Eckart von Hirschhausens „Mensch, Erde!“ und Hape Kerkelings „Pfoten vom Tisch!“. Zum Plagiatssucher ausbilden sollte mich Martin Heidingsfelder. Auf der Website seines Ein-Mann-Unternehmens VroniPlag, benannt nach Edmund Stoibers Tochter Veronica Saß, einem frühen Opfer von Heidingsfelder, steht unter Referenzen ein beeindruckender Body-Count: Karl-Theodor zu Guttenberg, Silvana Koch-Mehrin, Annette Schavan.

Plagiatssucher ist kein IHK-Ausbildungsberuf, jeder Blender darf sich so nennen. Optimale Startbedingungen für einen Quereinsteiger wie mich. Und es klang nicht besonders schwierig, als Heidingsfelder am Telefon sein Vorgehen erklärte. Das PDF des Buchs besorgen, in ein Plagiatsprogramm hochladen und die Stellen, die das Programm markiert, genau anschauen. Auch der Stundensatz von 250 Euro, den ein Profi wie er nehme, klang ganz attraktiv.

Heidingsfelder erklärte sich bereit, mir Tipps zu geben und meine Funde anzuschauen. Vor Kurzem habe er übrigens einen relativ konkreten Tipp bekommen, wo im Buch eines Politikers etwas Krummes zu finden sei. In Laschets „Aufsteigerrepublik“. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass ich nicht ein wenig Sensationslust spürte.

Auf meiner Liste war das erste Buch das von Wagenknecht, ihr Rant gegen die Selbstgefälligkeit einer linken Identitätspolitik, die für Unisextoiletten kämpft, aber nicht mehr für die Leute, die sie putzen. Ein blauer Fortschrittsbalken kroch über die Webseite Scribbr, nachdem ich dort das PDF hochgeladen hatte. Scribbr ist eine Datenbank, die helfen soll, eigene wissenschaftliche Texte auf unbeabsichtigte Plagiate zu prüfen. 20 Minuten brauchte das Programm, um Wagenknechts Buch zu durchsuchen. Dann schlug eine Art Tacho in einen dramatisch roten Bereich aus. Der Ähnlichkeits-Score: »Du hast 18 Prozent erreicht. Dein Dokument scheint plagiatgefährdet zu sein.« Von den knapp 350 Seiten sollte fast jede fünfte Seite abgeschrieben sein? Sanfte Schadenfreude breitete sich kribbelnd aus.

Allein 162 Passagen im Buch ähnelten Wortfolgen aus dem „Focus“. Sätze, Absätze, ganze Seiten stammten aus dem Magazin. Allerdings, das ergab der Vergleich, eben aus Kolumnen und Gastbeiträgen, die Wagenknecht selbst dort geschrieben hat. Gekennzeichnet hat sie das im Buch nicht, womit sie gegen Standards wissenschaftlicher Publikationen verstößt, für ein Promi-Buch ist das Vorgehen wohl eher normal.

Danach kamen auf der Trefferliste eine Menge Kritiken von „Die Selbstgerechten“. Denn Scribbr lieferte auch Treffer für identische Wortfolgen in Texten, die später als der geprüfte Text erschienen waren, jede Rezension, die aus dem Buch zitierte, erschien dem Programm verdächtig. Der Plagiatssucher muss alle Stellen einzeln vergleichen, ein wüstes Tab-Massaker. Die ganze aufregende Plagiatsjagd erlahmte bald zu einem dullen Geklicke.

Am Ende waren die tiefroten 18 Prozent Ähnlichkeit zu zwei verdächtigen Sätzen implodiert. Auf Seite 42 hieß es bei Wagenknecht: „Während viele der traditionellen Sitze in den ärmsten Regionen Englands, aber auch in Wales nun wieder verloren wurden, konnte Labour die Wahlkreise in London, in denen das Einkommensniveau weit über dem nationalen Schnitt liegt, überwiegend halten und sogar Zugewinne erzielen.“ Das mutmaßliche Original aus dem „Journal für Internationale Politik und Gesellschaft“ im Vergleich: »Während viele der traditionellen Sitze in den ärmsten Regionen Englands, aber auch in Wales verloren wurden, konnte Labour die Wahlkreise in London weitgehend halten und sogar Zugewinne erzielen.« Der zweite verdächtige Satz ähnelte einem aus dem „Handelsblatt“.

Auf die beiden Stellen in ihrem Buch angesprochen, schrieb Wagenknecht der ZEIT: Für sie handle es sich um die Wiedergabe von Fakten, den „Handelsblatt“-Artikel habe sie als Quelle angegeben, wenn auch an anderer Stelle. Jeden Fakt mit einer Fußnote zu versehen erhöhe die Lesbarkeit eines solchen Sachbuches nicht.

Als ich Heidingsfelder den Fund zeigte, war er anderer Meinung. „Die Stelle ist krumm, und wo ich eine krumme Stelle finde, sind erfahrungsgemäß mehr. Das ist Baerbock-Niveau. Bei einer promovierten Politikerin geht das gar nicht.“ Eine Gegenüberstellung meiner gefundenen Stelle mit dem Original schickte er mir unter seinem Firmenkopf zurück. Es sah ein bisschen wie eine Urkunde aus.

Dann kam von Hirschhausens Nachhaltigkeits-Bestseller „Mensch, Erde!“ dran. Auch der TV-Doktor hatte eigene Texte recycelt. Aber von Hirschhausen (oder sein Team) hat sich etwas großzügiger als Wagenknecht bei Populärmedien wie „Geo“, „Deutschlandfunk“ und „Ärzteblatt“ bedient, und ein Beispiel soll hier für eine Handvoll ähnlicher Funde stehen. Aus einem BR-Beitrag von 2018 über die Ökobilanz von Äpfeln entnahm von Hirschhausen den Kalauer: „Ganz schlimm: wenn Flugzeuge zum Transport eingesetzt werden. Dann ist es mit der Umweltbilanz im Vergleich regional - Übersee sowieso Essig.“ Das Original geht so: „Wenn Flugzeuge zum Transport eingesetzt werden, ist es mit der Umweltbilanz im Vergleich regional - Übersee sowieso Essig.“ Auf Anfrage der ZEIT äußert sich Hirschhausen wie folgt: „Das Buch besteht aus lauter Ideen, die nicht auf meinem Mist gewachsen sind. Das habe ich an sehr vielen Stellen auch sehr deutlich gemacht.“

Kerkeling hatte dann das doppelte Glück, dass er ein eher persönliches Buch über Katzen geschrieben hat und, zweitens, dass mein Recherchebudget fast aufgebraucht war und ich bloß ein Viertel seines Buchs prüfen lassen konnte. Zumindest eine Stelle meldete die Software trotzdem. Auf Seite 122 schrieb Kerkeling: „Ich glaube, Katzen wurden vom lieben Gott auch erschaffen, um die Annahme ad absurdum zu führen, dass tierische Erdenbewohner dazu da sind, den Menschen untertan zu sein.“ Mag sein, dass er das glaubt, außer ihm glaubt etwas Ähnliches aber auch ein unbekannter menschlicher Erdenbewohner auf aphorismen.de.

Findet man also in jedem Buch irgendwas?

„Nein“, sagte Heidingsfelder, in der Mehrheit der Fälle finde er kein Plagiat.

Selbst schon mal plagiiert?

„Ja“, sagte Heidingsfelder, verriet das Beispiel dann aber bloß unter der Bedingung, dass man es nicht beschreibt.

Eine Heidingsfelder-Eigenart. Egal wann man anrief, immer klagte er, wie wenig Zeit er habe, und erzählte dann ungefragt alles Mögliche, von Plänen mit seiner Freundin, von der Krankheit eines Familienmitglieds. Gern auch von sich selbst. Bloß, um danach mit fränkischem Einschlag zu warnen: „Aber ned schreiben.“ Immer wieder betonte er seine Medienerfahrung aus zehn Jahren als Plagiatssucher.

Heidingsfelder ist Diplom-Kaufmann, von seinen Jahren als Software-Vertriebler auf dem Neuen Markt schwärmte er: „Ich war ein Verkäufer vor dem Herrn.“ In den Achtzigern spielte er American Football in der deutschen Nationalmannschaft. 2011 überführte er dann auf einem Blog zusammen mit anderen den damaligen Verteidigungsminister Guttenberg. Danach machte er ein Geschäft daraus, im Auftrag nach Fehlern in Dissertationen zu suchen. Jeder kann ihn engagieren. Wütende Männer, die ihrer promovierten Ex-Frau noch eine mitgeben wollen, Angeklagte vor Gericht, um einen Gutachter zu diskreditieren.

„A weng a wilder Hund“, „Alphatierchen“, „deutsche Spitze auf verschiedenen Gebieten“, „eine bekannte Lokalgröße“ – das waren Ausdrücke, mit denen er sich beschrieb. Was ihn zum Plagiatssucher qualifiziere? „Kein Respekt vor Autoritäten.“

Heidingsfelder sagte, er wisse nicht, wer ihm den Tipp gegeben habe, sich mal genau die Seiten 261 und 262 in Laschets Buch anzuschauen, er habe den Namen der Person gegoogelt, könne ihn aber nicht zuordnen. Wichtig ist ihm, zu sagen, dass er kein Geld bekommen und nicht aus Abneigung gegen die CDU gehandelt habe. Wahrscheinlich darf man das dann doch über seine Wohnung verraten: Auf seinem Schreibtisch lagen Bücher von Grünen- und von AfD-Politikern, die er gern mal prüfen würde. „Der kleine Bürger hat Macht und Einfluss. Man bewegt was.“

Er fand schnell etwas. Auf Seite 261 bediente sich Laschet aus einem Integrationsbericht seines Ministeriums, das er damals als Migrationsminister in Nordrhein-Westfalen leitete. Daraufhin durchsuchte Heidingsfelder den Integrationsbericht auf verdächtige Stellen. So fand er heraus, dass dessen Autoren aus einem Beitrag zu einer Migrationstagung kopiert hatten. Den Beitrag überflog Heidingsfelder auf seltene Ausdrücke. Bei „Diaspora“ und „Brain Gain“ blieb er hängen. Die hatte er auch schon bei Laschet gesehen. Er verglich die Stellen – Treffer.

Am Mittwochabend erhielt der Reporter eine Mail: „Herr Laschet baerbockt auch!“ Tags darauf schickte Heidingsfelder die Stelle an den Urheber und an Laschets Staatskanzlei mit Bitte um Stellungnahme. Am Freitagmittag wollte er seinen Fund veröffentlichen und mir nebenbei erklären, wie er ihn gemacht hatte. „Die Geschichte ist eine große Nummer“, schrieb Heidingsfelder, „das ist Ihnen klar?“

Heidingsfelder hat viele solcher großen Geschichten, „viel größere als Laschet“. Über einen Spitzenpolitiker weiß er angeblich, dass der seine Dissertation von einem Parteikumpel hat schreiben lassen. Ein anderer bekannter Politiker soll als junger Mann in eine Messerstecherei verwickelt gewesen sein – nicht als Opfer. Man könne sich ja mal die Gerichtsakten besorgen. „Manchmal habe ich die Sorge, dass das Wissen um die heutigen Eliten und ihre Skandale mit mir untergeht“, sagte er, als man ihn besuchte.

Im Gespräch mit den vielen Journalisten, die vergangenen Freitag anriefen, platzierte er immer mal wieder eines seiner Bömbchen: von Cum-Ex-Deals bis zur rechtswidrigen Prüfungsordnung einer juristischen Fakultät. Angeblich alles Scoops. Aber die allermeisten Anruferinnen hm-ten darüber hinweg.

Nach dem SZ-Journalisten rief ein Kollege der „Bild“- Zeitung an. „Die Bild hasse ich ja wie die Pest“, sagte Heidingsfelder nach dem Telefonat. Schon klingelte es wieder, „Deutsche Presse-Agentur“. Er vereinbarte ein Interview mit „Cicero“ für 17 Uhr und eine Live-Schalte mit „ProSiebenSat.1“ für 15 Uhr. Eine „WDR“-Redakteurin fragte, ob er ein Interview geben wolle, und Heidingsfelder antwortete: „Für Die Sendung mit der Maus immer.“ Dann vergab er den 17-Uhr-Slot ein zweites Mal, an „n-tv“. „War da nicht schon ein Termin?“, fragte er in den Raum. „Egal.“ Auch ein paar Drohmails kamen rein. Auf die Frage des Reporters, ob er die Ego-Show nicht doch ein klitzekleines bisschen genieße, sagte er: „Ich brauch das nimmer, ich hab das schon oft genug erlebt.“

Der Reiz sei die Suche selbst: „Das Schöne ist, wenn man in einem Rausch sucht. Ich will nicht sagen in einem Blutrausch. Aber euphorisiert.“ Für Heidingsfelder sind Laschets und Baerbocks Fehler keine Schludrigkeiten, sie verraten deren Charakter.

Um Viertel vor drei stand dann das erste Kamerateam in einer Seitenstraße nahe seiner Wohnung. Vor der Kamera blödelte er herum, setzte die Sonnenbrille auf und ab, schaute sich im iPhone an. Drei Punker in Lederoutfits kamen vorbei, einer reckte die Faust: „Power to the people.“ Die Reporterin stellte die erste Frage: „Um welche Fehler hinsichtlich eines Plagiats handelt es sich?“

Um überhaupt kein Plagiat, erklärte Heidingsfelder zum ungefähr zwanzigsten Mal an diesem Tag. Er habe Herrn Laschet auf eine Urheberrechtsverletzung aufmerksam gemacht. Geduldig beantwortete er alle Fragen, machte eine Live-Schalte, O-Ton-Statements.

Danach aß Heidingsfelder ein Stück Karottenkuchen vom Bioladen gegenüber, Stehimbiss an einem Verteilerkasten. Seine erste Mahlzeit des Tages außer einer Banane. Trotzdem hatte er schon wieder einen Journalisten am Ohr, wen genau, wusste er selbst nicht, dennoch erzählte er ihm von einem Justizskandal. Der Journalist wirkte nicht uninteressiert, aber in dem Moment parkte der nächste Übertragungswagen vor dem Tor zu Heidingsfelders Hinterhof.

Dieses Mal sollte er am Gartentisch im Hof sitzen und am Laptop durchs PDF von Laschets „Aufsteigerrepublik“ scrollen. Schnittbilder für den Ansager. Auf einem Balkon fragte ein Kind den Vater, was dort unten passiere. „Wenn du zuhörst, brauchst du heute nicht mehr die Tagesschau schauen“, rief Heidingsfelder nach oben. Dann lachte er ins Kameralicht.