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I bims

FAS, 2017

Der Wiener Rapper Money Boy hat deutschen Hiphop in den letzten Jahren verändert wie kaum jemand – und damit auch die deutsche Sprache. Der Versuch, eine Witzfigur endlich ernst zu nehmen.

Sogar wer noch nie von Money Boy gehört hat, hat höchstwahrscheinlich schon etwas von Money Boy gehört.

Gönn dir.

Vong.

Was 1 Life.

Begriffe, die der Rapper aus Wien erfunden oder bekannt gemacht hat, so bekannt, dass Sprachwissenschaftler Vorlesungen über sie halten und die Werbeagentur Jung von Matt der Sparkasse den Spruch entwarf: „Gönn dir ist einfach. Wenn man 1 gute Bank hat vong Vorsorge her.“

I bims.

Fly.

Ahnbar.

Begriffe, die man hässlich finden kann, nervig, schlicht unverständlich – aber vielleicht wär’s doch mal ganz interessant, herauszufinden, wie Money Boy das gemacht hat – und warum. Wie hat er, ein gar nicht mal so bekannter Rapper, es geschafft, die deutsche Sprache in den letzten Jahren zu prägen wie zuletzt – ja, wer eigentlich? Udo Lindenberg, als er mit seiner Alles-klar-auf-der-Andrea-Doria-Schnodderigkeit eine Kiezsprache etablierte, die, ähnlich wie bei Money Boy, exakt so zwar eigentlich keiner sprach, die aber in die Werbung eindrang und zu Teilen dann doch auf dem Schulhof landete, in Kneipen und in Büros und in Wohnzimmern und damit in der Standardsprache?

Ja, das mutet erst einmal wie ganz großer Unfug an. Money Boy auf einer Stufe mit Udo Lindenberg. Ist klar. Ein Typ, der Block auf Cock reimt. Mit einem Typen, der Bund auf Hund reimte, Tiger auf Bundesliga, und damit so lange weitermachte, bis er zum Landeskulturinventar geworden war. Money Boys Sprache ist das längst auch: In den sozialen Medien hat sie nun der Allerletzte nachgeahmt, so dass die trendbewussten Nachahmer endgültig ihren Tod verkündet haben und die noch trendbewussteren ihre Auferstehung.

Und Money Boy? Der macht einfach weiter. Ist ja noch viel zu tun. Denn dafür, dass er seine Sprache so bekannt gemacht hat, ist der Rapper Money Boy ziemlich unbekannt geblieben – obwohl er den Sound im deutschen Hiphop ähnlich geprägt hat wie den der deutschen Sprache.

2010 war es, als der 29 Jahre alte Sebastian Meisinger, aufgewachsen als Sohn einer Lehrerin und eines Unternehmers im 15. Bezirk in Wien, unter seinem Rapper-Namen Money Boy ein Video veröffentlichte. Das Video. „Dreh den Swag auf“, ein Cover von „Turn My Swag on“ des amerikanischen Rappers Soulja Boy. Versammelte der schon die plattesten Hip-Hop-Klischees – untertassengroße Golduhren, Dollar-Scheine-Schmeißen und so weiter –, gelang Money Boy das Kunststück, das Überspitzte noch zu überspitzen, oder eher: das Platte vollkommen wegzuplanieren. Ein bleiches Riesenbaby, das sich für den Hip-Hop-Karneval verkleidet hatte, hampelte da durchs Video, posierte mit falschen Goldketten vor einem Ferrari, der ganz sicher nicht ihm gehörte, sondern dem Autohaus, in dem er stand. Dazu rappte Money Boy Ultrasimples: „Oh mein Gott, ich bin so am Block / Deine Mutter kommt zu mir, und sie blowt den Cock“.

Mein Gott, was für ein Idiot. Wie schlecht rappt der!

Ja, der rappt schlecht, und er wirkt wie ein Idiot. Aber mit Absicht, weil’s lustig ist.

Der ist gar kein Idiot, und der rappt auch nicht schlecht – nur extrem ungewohnt. Nicht dreimal ums Eck gedacht wie K.I.Z. und Kollegah, die mit ihren Vergleichswettbewerben Deutschrap dominierten. Sondern direkt. Ohne jede Scham. Einfach mitten drauf.

Das waren so die drei Meinungen, die man 2010 zu Money Boy haben konnte, und sie traten in der Reihenfolge in exponentiell fallender Häufigkeit auf. Das aber in großer Häufigkeit: Money Boy war nun nicht mehr nur der Name eines neuen Rappers, sondern ein Synonym für Witzfigur. Ein Internetunfall.

Das Unfassbare ist, dass Money Boy nun nicht nach Hause ging und weinte – wobei: Laut einem Porträt in „Neon“ hätte er das fast einmal getan, nachdem er Anfang 2011 für Sido in Wien im Vorprogramm aufgetreten war und der ihn mit den Worten auf der Bühne ablöste: „Wollt ihr lieber echte Musik?“, und das Publikum in Money Boys Heimatstadt johlte. Darin hat ihn die Rap-Welt von Anfang an missverstanden: Für ihn war das echte Musik. Echt nicht in dem Sinn, dass er wirklich Scheine durch den Club werfen konnte, schließlich mäanderte er da noch als Aushilfe durch die Medienbranche. Echt in dem Sinn, dass er echter Fan war, von amerikanischem Südstaatenrap.

„Ich war früher auch mal ein krasser Eminem-Fan“, sagt Money Boy am Telefon, „und habe versucht zu rappen wie er. Aber wenn man sich an einem der besten Rapper der Welt orientiert, wird das halt schwierig. Dann habe ich mich Gucci Mane und Soulja Boy zugewandt, die auch rappen können, aber eher einen Vibe bringen.“

Ein Vibe, ein Gefühl, das fehlte Money Boy im deutschen Rap. Der steckte damals in einem Dazwischen: Einerseits noch immer dominiert von Straßenrap – in der ursprünglichen Form (Sido, Bushido), der komplexer getexteten (Kollegah) und der komplex getexteten Parodie auf beide und den Rest der Welt (K.I.Z.) – gelang es Peter Fox, Marteria und Casper langsam, Pop im Hip-Hop zu etablieren, und damit Hip-Hop im Pop.

Sie alle aber einte, dass selbstverständlich alles immer besser werden musste: die Reime komplexer, die Flows variabler, die Videos teurer. Und dass sie – lange das wichtigste Wort im deutschen Rap, das viele Rapper trotzdem nicht auf Anhieb fehlerfrei über die Lippen brachten – Authentizität hatten. Klar war Bushido der harte Typ, über den er rappte; natürlich hatte Casper wirklich einen Freund verloren. Mit seinem zusammengestolperten „Dreh den Swag auf“ zeigte Money Boy den Rappern und ihren Fans aber, dass sie sich vielleicht ein bisschen ernst nahmen. Ein bisschen humorlos waren. Und sie verachteten ihn ja dann auch ganz humorlos und verlachten ihn.

„Ich dachte, nach ,Dreh den Swag auf‘ wollen alle mit mir zusammenarbeiten, aber die haben mich bloß gedisst“, sagt Money Boy. „Mir war es aber auch nicht so wichtig. Ich wollte Aufmerksamkeit und Auftritte machen, keinen Respekt für meine Kunst. Und eine kleine Fanbasis gab es ja.“

Money Boy, der ein großer Amerika-Fan ist, ein guter Basketballer und besonders die Südstaaten und deren proletige Hip-Hop-Kultur liebt, auch den Trash, nahm sich wieder seine Helden dort zum Vorbild: Er überflutete die Welt auf allen Kanälen. Mit kostenlosen Mixtapes im Wochentakt, Auftritten auf Abipartys und bei Privatsendern und eben mit Social-Media-Posts. Und plötzlich konnte er von Rap leben. Er war – na ja, für die meisten nicht unbedingt Rapper. So eine Art Rap-Clown.

An dieser Stelle ein Geständnis. Eigentlich sollte das kein Text über Money Boy werden, sondern ein Interview mit Money Boy und einem Sprachwissenschaftler über den Einfluss von Hip-Hop auf die Sprache. Wir waren sogar schon da, der Sprachwissenschaftler Markus Kunzmann von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der in der Jury für das Jugendwort des Jahres sitzt, die Fotografin, ich, wir warteten an einem Novembernachmittag im Hof eines Wiener Wohnhauses im 6. Bezirk. Nur Money Boy, der fehlte.

Es tue ihr sehr leid, sagte eine Mitarbeiterin von ihm, die schließlich in den Hof kam. Der Herr Meisinger liege im Krankenhaus. Atemprobleme. Wirklich kein Interview. „Dabei ist er eigentlich sonst sehr robust.“ Also sitzt man kurz darauf in einem Wiener Kaffeehaus, ein Sprachwissenschaftler aus München, der Interviewer aus Berlin, zwei mehr oder weniger erwachsene Männer, die sich darüber unterhalten, wie ein anderer erwachsener Mann, Money Boy, spricht, und damit die Jugend.

Wodurch zeichnet sich Money Boys Sprache aus?

Markus Kunzmann Er nimmt zum Beispiel einen englischen Wortstamm und konjugiert ihn wie im Deutschen. Er sippt. Er cookt. Oder er verweigert die Konjugation ganz. Er räumt nicht das Zimmer auf. Er ist das Zimmer am Aufräumen tun.

Rechtschreibung verweigert er auch.

Markus Kunzmann Es ist eine Regelverletzung bis auf die graphematische Ebene: Ich verwende nicht nur ein anderes Wort, ich spreche es nicht nur anders aus, ich schreibe es auch total falsch, aber regelmäßig falsch.

Aber warum?

Markus Kunzmann Ähnlich wie ein Dialekt dient eine eigene Sprache dazu, sich mit einer Gruppe zu identifizieren und sich gegenüber Nicht-Mitgliedern abzugrenzen.

Vielleicht nimmt man damit die Sache auch ein bisschen ernst, auf jeden Fall passt es, dass ausgerechnet in den Fan-Foren des Außenseiters Money Boy diese seltsame Sprache entstand. Am Anfang teilten Money Boy und seine Fans dort nur Screenshots absurder Posts, die sie gefunden hatten, „willst du treffen süß“ als Frage an ein Mädchen, so was eben, aber sich über etwas lustig machen ist auch eine Form der Aneignung, und irgendwann klangen Money Boy und seine Fans selbst nach den Postings. „I han“ statt „ich habe“, „skreet“ für „street“. Warum? „Ohne tiefere Bedeutung.“ Der Sinn ist, dass es unsinnig ist.

Lustig ist es dann schon, dass der Dudenverlag also Werbung mit einer Sprache macht und der Langenscheidt-Verlag regelmäßig Begriffe einer Sprache als Jugendwörter des Jahres auszeichnet, deren Vokabeln Money Boy und seine Fans gerade deshalb aus den hintersten Ecken des Internets zusammengeklaubt haben, weil sie so bizarr daneben waren. Und dass in Gestalt von Money Boy ein 36 Jahre alter Kulturwissenschaftler mit Magisterdiplom, ja, das ist der Herr Meisinger nämlich, zum Synonym für Jugendsprache geworden ist, erheitert ebenfalls.

Mit seiner Sprache hat Money Boy nichts verdient, habe er auch nie gewollt, sagt er. „Sprüche-T-Shirts ahne ich jetzt nicht so.“ Das taten dann andere, der Künstler Shahak Shapira mit einer Holyge-Bimbel-Übersetzung, eine Werbeagentur aus Lünen, die sich „I bims“ und „Vong“ als Marken eintragen ließ und die Facebook-Kunstfigur Willy Nachdenklich – für Money Boy einer von vielen Nachahmern, der selbst sieht sich als Miterfinder.

In dieser Menschheitsfrage mögen bitte andere entscheiden, ohne Frage aber hat Money Boy Rap auf Deutsch verändert. Die druffen Autotune-Hymnen von Yung Hurn, ganze Lieder über sauteure Markenkleidung von Rin, verwackelte Selfmade-Videos einer Haiyti – dieses Hingerotzte, das „Mir egal“, die ganzen Elemente, die gerade beliebt sind in der Musik und beweisen sollen: Hier hat noch jemand Gefühl, das hat Money Boy vorweggenommen.

Money Boy ist ein schönes Paradox. Er, den alle als den liebsten Kerl bezeichnen und der auch am Telefon so wirkt, hat in seinen Liedern wirklich schon alles penetriert; nach dem Absturz der Germanwings-Maschine machte er darüber auf Twitter erst mal einen Witz. Money Boy, der in manchen Interviews wirkt, als könne er schon deshalb keinen 16er rappen, weil man dafür bis 16 zählen muss, soll ein guter Student gewesen sein; ein guter Student anderer Rapper ist er eh. Mit seiner Punk-Attitüde, dem Ich-mach’s-egal-ob-ich’s-kann, ist er eigentlich auch einer der wenigen Party-Crasher auf der großen Selbstoptimierungsveranstaltung – und zugleich der Beweis, dass das Urversprechen dieser Veranstaltung manchmal halt trotzdem stimmt: Wenn der es geschafft hat, können es wirklich alle schaffen.

Kürzlich hat Money Boy den Song „Monte Carlo“ veröffentlicht. Mit fast drei Millionen Klicks ist es sein erfolgreichstes YouTube-Video seit langem. Rap und Money Boy, sie haben sich über die Jahre so weit angenähert, dass Money Boy auf „Monte Carlo“ tatsächlich klingt wie ein, ja: normaler Rapper.

Ach so, eine Sache noch. Wenn man schon mal den Präger der Jugendsprache am Telefon hat. „I bims“, das kürzlich zum Jugendwort des Jahres gewählt wurde, ist doch uralt – was wäre denn ein echtes Jugendwort 2017? „Ahnbar vielleicht“, sagt Money Boy, „belastend. Oder corny. Nee, ich überleg noch mal“, und am Ende fällt ihm dann was ein. „Am Poppen! Das benutze ich grad oft. Also nicht im Sinne von ficken. Eher so: Der Boy ist back am Poppen.“ Na dann.